HYSTERIE ALS STANDORTNACHTEIL –

Die Deutschen, davon ist der Dortmunder Statistikprofessor Walter Krämer überzeugt, neigen mehr als andere Nationen zu irrationalen Ängsten. Die Liste der Umwelt- und Gesundheits-„Skandale“, die sich in der Bundesrepublik zu regelrechten Paniken steigerten, ist wahrlich lang. Pestizide im Gemüse, Dioxin im Frühstücksei, radioaktive Strahlen, Luftverschmutzung oder der sogenannte Rinderwahn (BSE). „Bis heute ist an dieser Krankheit in Deutschland kein einziger Mensch gestorben, aber die dadurch verursachte Panik hat uns Steuerzahler rund eine Milliarde Euro und zahlreiche Landwirte das Vermögen und die Existenz gekostet“, schreibt Krämer.

 

Noch frisch im Gedächtnis ist die hiesige panische Reaktion auf die Havarie im japanischen Atomreaktor Fukushima. Während die direkt betroffenen Japaner diszipliniert und gefasst das Unglück – vor allem die mehr als Zehntausende Tote durch das Beben und den Tsunami – ertrugen, lechzten hiesige Kommentatoren nach Atom-Horrormeldungen. Was sind die tieferen Ursachen der „German Angst“? Krämer zitierte eine Psychologin, die in historischen Kriegstraumata der Deutschen eine besondere Anfälligkeit für kollektive Ängste begründet sieht. Hinzu kommt das geistige Erbe der Romantik. Deren nachwirkende Wald- und Naturverklärung legte die Basis für manche verbissene Umwelt- und Klimaängste. Das „Waldsterben“, das in den achtziger Jahren in aller Munde war, hat es als deutscher Begriff bis in die französische Sprache geschafft. Fakt ist: Deutsche Medien verbreiten genüsslich Angstmeldungen. Krämers statistische Auswertung der elektronischen Zeitungsarchive zeigt, dass deutsche Zeitungen doppelt bis viermal so häufig Meldungen zu bestimmten Angstthemen wie Asbest, BSE, Dioxin und Schweinegrippe lancierten als britische, französische oder polnische Zeitungen. Die Medienberichte und ihnen zugrundeliegenden „Studien“ von Umwelt- und Verbraucherschützern bedienen sich einfacher Tricks, wie Krämer zeigt, um Ängste zu schüren: Es wird meist ein relatives Risiko vermeldet statt das relevante absolute Risiko. Wenn sich das Krebsrisiko durch irgendeinen Stoff verdoppelt, ist wichtig zu wissen, ob es von 0,0001 auf 0,0002 Prozent steigt oder von 5 auf 10 Prozent. Alarmistische Studien melden nur das relative Risiko. Zudem sind die möglichen Gefahren häufig im Konjunktiv beschrieben. Krämer widerlegt das Vorurteil, dass Statistiker trockene Zeitgenossen seien. In seinem neuesten Buch, das mit vielen Anekdoten und wissenschaftlichen Belegen gespickt ist, hält er den Deutschen abermals einen Spiegel vor. Seine Botschaft: Die Bürger sorgen sich oft vor den falschen Gefahren. Es sind objektiv gesehen meist unbedeutende Risiken, wenn man die Wahrscheinlichkeiten nüchtern abwägt. Aber genau das können die meisten Menschen nicht. Darüber hinaus hält Prof. Krämer den Deutschen eine irrationale Chemiephobie vor. Künstliche Schadstoffe werden für viel gefährlicher gehalten als natürliche Gifte. Auch die Pflanzengentechnik lehnen hierzulande mehr Menschen ab als etwa in Amerika. Das alles hat Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland. Übertriebene Chemieund Technikskepsis breiter Bevölkerungskreise werde auf Dauer die wirtschaftliche Spitzenposition gefährden. Wie Krämer schreibt, hilft gegen irrationale Ängste nur gründliche Aufklärung – vor allem aber mehr statistisch-mathematische Bildung.

 

Er leistet dazu mit seinen Büchern und Vorträgen einen wertvollen Beitrag.

Veranstalter


Villa Lessing e.V.

Mitwirkende:

Prof. Dr. Walter Krämer
Technische Universität Dortmund Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik

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