MENSCHENRECHTE IN GUANTANAMO

„Das absolute Folterverbot gilt. Dass dies in wissenschaftlichen Kreisen diskutiert wird, ist eine andere Sache.“ (Günter Nooke, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik). Die „andere Sache“ hat sichtbar Spuren in prominenten Kommentaren zum Grundgesetz hinterlassen und zu argumentativen Lockerungsübungen im politischen Diskurs geführt. Sollen Staatsorgane Folter androhen oder – vielleicht unter Rechtsaufsicht – ein bisschen quälen dürfen, in der Annahme, dass Angriffe auf das Leben und die Freiheit von Menschen anders nicht abgewendet werden können?

 

Kann es das geben – Folter im Rechtsstaat? Disqualifiziert sie ihn nicht von vornherein als solchen? Moralische Empörung über ein solches Nachdenken ist leichte Münze. Geklärt ist damit noch nichts. Muss überhaupt etwas geklärt werden? Oder wurde mit dem Tabu selbst auch schon ein kategorisches Denkverbot verhängt? Die Ereignisse von New York jedoch und dann die von Guantanamo haben das Nachdenken über den Ausnahmezustand im Verhältnis zum Rechtsstaat, über den Feind als politische Figur in „asymmetrischen Kriegen“, über „ungesetzliche Kämpfer“, wie G. W. Bush Terroristen nannte, über vorbeugende Notwehr und selbst über Folter als „alternatives Auskunftsmittel“ (Dick Cheney) wieder angefacht. In Frankfurt wurde dem Mörder des entführten Kindes Jakob von Metzler Folter angedroht, in der Annahme, dass die Aussagen des Täters zur Rettung des Kindes führen könnten. Das Urteil der Richter über die „Rettungsfolter“ war kategorisch: sie ist tabu. Die Menschenwürde ist nicht nur unantastbar, sie ist auch unteilbar. Sie gilt ausnahmslos – auch für Schwerstkriminelle. Dürfen Zivilflugzeuge, die in der Hand von Terroristen sind, abgeschossen werden, um das Leben von Menschen in angegriffenen Städten zu retten? Dürfen wir die Menschenwürde von Geiseln gegen die von potentiellen Opfern verrechnen? Nach welcher Recheneinheit? Es könnte sein, dass der Rechtsstaat durch Rabatte auf Menschen- und bürgerliche Grundrechte den Kampf gegen Terrorismus und Schwerstkriminelle zwar leichter gewinnt. Ob er aber danach noch der Rechtsstaat ist, den wir aus guten Gründen wollten, und ob er dann überhaupt noch einer ist – das ist dann eine nicht mehr nur politische Frage. Jan Philipp Reemtsma, selbst ein Geiselopfer, sagt: „Das Verbot der Folter gehört nicht in den Bereich der Moralität, sondern in den der Sittlichkeit. Es geht nicht um Regeln für das Verhalten Einzelner und ihr Verhalten im Einzelfall, sondern um die Verfassung des Gemeinwesens.
Es geht darum, welche Normen gelten sollen, damit wir die sein können, die wir sein wollen.“

Veranstalter


Villa Lessing e.V.

Mitwirkende:

Diskussion

Dr. Monika Lüke

Generalsekretärin, Amnesty International Deutschland

 

Im Gespräch mit

Prof. Dr. Torsten Stein
Direktor des Europa-Instituts, Universität des Saarlands

Moderation
Dr. Horst Rehberger
Vorstandsvorsitzender der Villa Lessing, Liberale Stiftung Saar e. V.

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